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Eine Drachengeschichte So lange er sich erinnern konnte, hatte er Geschichten über Den Drachen gehört. In seiner Kindheit hatte seine Mutter ihn damit erschreckt, was Der Drache für furchtbare Dinge mit ihm anstellen würde, wenn er sich nicht benahm. Während er aufwuchs, hörte er weitere Geschichten. Als ob das Tier wirklich existieren würde. Einige Leute schworen auf ihr Leben, dass sie ihn mit eigenen Augen gesehen hatten. Sie würden nicht zögern seltsame Geschichten über ihn zu erzählen, wenn man ihnen zuhörte. Wie er den Mann aus dem Nachbardorf gerettet hatte. Oder diese Hütte während dem schrecklichen Wintersturm niedergebrannt hatte. Schon sein ganzes Leben lang hatte er Geschichten über Den Drachen gehört. Aus reiner Neugierde begann er die Geschichten zu sammeln. Bald war er bekannt dafür, alles zu wissen, was jemals irgend jemand über Den Drachen gewusst hatte. Und je mehr er erfuhr, desto stärker begann in ihm die Vermutung zu wachsen, dass mehr an diesen Geschichten dran sein könnte. Natürlich war es unmöglich, dass Der Drache so ein riesiges Monster war, wie manche vermuteten, manchmal drei Stockwerke hoch oder sogar noch grösser. Er musste kleiner sein. Vielleicht so gross wie ein Pferd. Vielleicht wie ein grosses Pferd. Vielleicht intelligent. Wahrscheinlich nicht. Und er überlegte, wenn Der Drache leben würde, dann wo? So wurde er von seinem Traum aufgesogen. Bald begannen die Leute sich über ihn zu wundern. Hinter seinem Rücken über ihn zu sprechen. Besorgt sahen sie ihm nach wenn er sich wieder aufmachte auf einer seiner langen Reisen auf der Suche nach etwas, dass es nicht gab. Die Jahre zogen ins Land. Immer neue Geschichten fanden ihren Weg zu dem Mann. Viele offensichtlich erfunden, aber andere, seltsam. Unerwartet. Nahrung für seine Hoffnung. So ging seine Suche weiter. Aber es war nutzlos. Hoffnungslos und geschlagen kehrte er nach einer weiteren, sinnlosen Reise zurück, mit schmerzenden Füssen und leeren Händen. Und just als er das Tal betrat in dem sein Dorf lag, da sah er sie. Seine Hände begannen zu zittern. Kalter Schweiss auf seinem Gesicht. Spuren. Scharf und kantig. Schuppen. Zu gross für einen Vogel. Zu tief für irgendwas, das fliegen konnte. Zu kalt für Eidechsen in dieser Höhe. Tränen liefen sein Gesicht herab. Vorsichtig kniete er sich neben die Spuren im Boden, um ihre Schönheit nicht zu zerstören. Streichelte die Erde mit seinen Händen, wo das Tier seine Spuren hinterlassen hatte. Er hatte es geschafft! Mit seinem Herzen voller Freude stand er auf, um der Welt zu zeigen, was er erreicht hatte. Gegen alle und jedes. Und da waren sie auch schon, seine Freunde und Bekannten. Kamen ihm auf dem Weg entgegen. Winkend ... lachend. Er lief zu ihnen, konnte sein Glück fast nicht fassen, dass sie hier waren. Jetzt wo er den Beweis hatte. Als er sie endlich erreicht hatte, da sahen sie ihn an und fingen an zu lachen. Vor lachen rollten sie auf dem Boden, hielten sich den Bauch. Eine winkte lachend mit einem seltsamen Objekt aus Metall. Er konnte die Spitzen und Kurven sehen und er realisierte, wie es aussehen würde, wenn man das Objekt in den Boden drücken würde. Spuren. Sein Gesicht gefrohr. Ohne zurückzublicken, ging er an ihnen vorbei. Steif. Verbarg seine blutende Seele tief in seinem Inneren. Nach diesem Ereignis gab er auf. Er sprach nicht mehr über den Drachen. Er dachte nicht mehr an ihn. Ab nun verdiente er sein Geld als Führer für Kaufleute und andere Personen, welche die Berge passieren wollten, aber den Drachen erwähnte er nicht mehr. Als er nach einer sehr langen und erschöpfenden Reise zurückkehrte, hörte er ein seltsames Geräusch hinter sich. Fast erwartete er einen weiteren Scherz seiner Freunde, als er sich umdrehte und ihn sah ... Den Drachen. Das Licht spiegelte sich auf seinen Schuppen. Tiefe, grüne Augen. Muskulös. Ein wenig grösser als ein Pferd. Der Kopf auf einem langen, geschwungenen Hals. Ihn anstarrend. Und er starrte zurück. Ungläubig. Seinen Traum sehend. Atmend. Ihn riechend. Er wagte es nicht seine Hand auszustrecken und ihn zu berühren und festzustellen, dass er doch nicht real war. "Man hadh mier gezzaght, dazz Du miech zuchzt", sagte Der Drache mit einer seltsam hohlen und zischenden Stimme. Völlig überrascht, starrte der Mann ihn an. Geduldig wartete Der Drache. "Du sprichst ...", murmelte der Mann endlich. "Zicher", antwortete Der Drache, "und wahrum nischt? Wahrum izd die Menzschcheid nuhr zo arroggand zu glauben, dazz zie die einzigen sind, die zprechen khöennen? Aber nun zag mihr, warum zuchzt Du miech?" "Endlich!" rief der Mann aus. "I habe es geschafft! Ich habe ihn gefunden! Allen meinen Freunden werde ich Dich zeigen! HA!" schrie er, "sie werden ihre eigenen Worte essen müssen! Ich werde Dich in Zoos und Universitäten auf der ganzen Welt ausstellen! Die Leute werden zu mir aufsehen und mich beneiden! Mich, den Besitzer des Drachens!!" "Ziehsd Du", sagte Der Drache, "dharum meide isch die Menzschen." Copyright © 2001-2002 Aaron Digulla a.k.a. Philmann Dark. |