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Zu seiner Überraschung stellt Forne Rako fest, dass er noch lebt. Er ist aber nicht sicher, wie glücklich er darüber sein sollte.

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Haul

Wartefolter

Gelächter weckte Forne. Seine Muskeln protestierten, als er versuchte sich aufzurichten. «Willkommen zurück, du Held,» begrüsste ihn jemand ganz in der Nähe. Es war eine unerwartete, bekannte Stimme. Forne stöhnte und drehte seinen Kopf zur Quelle hin.

«Vorsichtig.» Rank grinste in sein Gesicht. Er war ein Kollege aus der gleichen Kampfeinheit. «Am Anfang tut es am meisten weh, aber es wird schnell besser.» Sein Grinsen wurde breiter. «Hab ich zumindest gehört.»

Forne drehte sich auf die Seite, stemmte sich hoch, sog Luft zwischen zusammengepressten Zähnen ein. Der Schmerz verging wirklich schnell. Nachdem er jedes Extremität geprüft hatte, setzte er sich auf die Kante des Bettes. Er wunderte sich was für eine Art von Granate ihn getroffen haben könnte. Seine Pfoten waren steif, aber sonst schien er unverletzt. «Wo sind wir?» Er sah sich um.

Die Wände und Decke waren von sanft gewölbten Paneelen aus Plastik bedeckt, die in Pastellfarben leuchteten. Es hätte eine Klinik irgendwo sein können, aber es gab keine Fenster. Betten ragten aus den Wänden, jeweils drei übereinander, eine Leiter an der Spitze erlaubte den Zugang zu den oberen beiden Etagen. Es war angenehm warm. Niemand in Sichtweite hatte irgendwelche Kleidung ausser enganliegenden Boxer Shorts an. Frauen hatten zusätzlich Tube Tops.

«In einem Schiff der Haul sagte Rank leichthin und Forne zuckte zusammen. «Sie haben wohl rotierende Sektionen.»

Forne konnte den Zug der Gravitation fühlen. Er musste zugeben, dass dies eine viel komfortablere Art durchs All zu Reisen war. Während seiner Reise hierher hatte er ständig unter Zero-G-Übelkeit gelitten oder unter den Nebenwirkungen der Medikamente dagegen. «Wie viele haben sie erwischt?» Als er versuchte aufzustehen, spürte er einen scharfen Schmerz in seinem unteren linken Knie.

«Wir haben 780 ... 781 ... von uns gezählt. Sie haben noch nicht angefangen welche rauszuzerren, um Spass mit ihnen zu haben ... Einige glauben, dass wir vielleicht Glück haben uns als Sklaven verkauft werden oder sowas.»

Als er dem Blick von Rank folgte, konnte Forne sehen, dass ein Roboter eine Trage mit einem bandagierten Rabit hereinrollte. Der schlaffe Körper wurde in einem leeren Bett platziert und die Maschine verschwand wieder. Forne beobachtete den Vorgang mit geballten Fäusten. «Super. Was haben sie mit ihm angestellt?»

«Wer weiss,» sagte Rank und kratzte sich an den Ohren.

Perry Brone tauchte auf, spuckte auf den Boden. «Verdammte Biester. Wenn es keinen Befehl gäbe sie in Ruhe zu lassen, ich würd's ihnen zeigen ...»

Rank zuckte nur mit den Schultern. Anspannung lag in der Luft.

Die Gruppenführerin Patricia Hames kam herüber. «Wieder wach?» grüsste sie ihn und beobachtete ihn aus irgendeinem Grund aufmerksam.

Forne nickte, während er sein linkes Bein vorsichtig belastete. Es schmerzte, aber er konnte stehen. «Ich werd's überleben.»

«Du wurdest als einzige von mindestens einem dutzend Haul in Formation hereingebracht.» Sie sah ihn fragend an. «Irgendeine Idee warum?»

«Vielleicht hat er sich ganz toll gewehrt!» meinte Brone höhnisch.

Ungläubig sah Forne Hames an. «Ich hab die VIP-Behandlung bekommen? Naja ... keine Ahnung ... vielleicht, weil ich die Wunden von diesem Haul behandelt hab. Vielleicht kennen diese Mörder ja doch sowas wie Dankbarkeit?»

Niemand lachte. Hames Gesicht war sorgfältig nichtssagend. «Was ist passiert?»

«Ich wurde abgeschossen, bevor ich mein Ziel ... erreichen konnte,» erklärte Forne. Natürlich war jeder neugierig auf den neuen Prototypen, aber Forne hatte strikte Order mit niemanden darüber zu sprechen. «Nach ein paar Stunden hat der Planet mich eingefangen. Irgendwie habe ich den Wiedereintritt überlebt. Verdammt, die Wolken waren so dicht, ich konnte meine Nasenspitze nicht mehr sehen! Es war pures Glück, dass ich aussteigen konnte, bevor mein Schiff in eine Bergspitze gekracht ist!» Er hielt ein Hand hoch. «Verflucht, ich schwöre, wenn ich meine Hand nur so ausgestreckt hätte, ich hätte den nackten Fels berühren können.»

Rabit begannen sich zu versammeln, um seine Geschichte zu hören. «Nicht so richtig clever bei Mach 10, es hätte sie sofort abgerissen.» Ein Teil des Publikums fiel in sein Lachen ein. «Als nächstes wurde ich von den Wolken so richtig eingeweicht. Frau, war ich glücklich über meinen Anzug. Der Saft rann nur so an mir runter. Dann, plötzlich, klärte sich die Sicht und ich konnte diesen enormen Urwald unter mir sehen. Baumkrone an Baumkrone. Man hätte nicht mal mehr ein Haar dazwischen gebracht. Verdammt habe ich mich schon darauf gefreut mich aus 'nem Baum schneiden zu dürfen. Scheisse. Hey, ich kann euch sagen, ich war echt glücklich, als ich diese grosse Lichtung fand. Ha! Es war ein beschissener See! Mein Fuss ging durch die dünne Pflanzenschicht an der Oberfläche wie durch Salatsosse! Ich habe Stunden gebraucht, um mich aus dieser Schweinerei von Wurzeln, Schlamm, Dreck und den extrem belastbaren Fasern meines Schirms zu schneiden! Ich weiss nicht, was schlimmer war: Die Pflanzen oder der Fallschirm. Es war ein Fest. Wie aus einem Film. Ohne den Raumanzug wäre ich Fischfutter gewesen.»

Er sprach nun mit Armen und Pfoten zu der wachsenden Menge an Zuhörern. Es war wie in der Schule, wenn die Klasse an seinen Lippen hing. Er fühlte den Schub durch die Aufmerksamkeit und sein Gehirn schaltete in den Geschichtsmodus, fügte einige unverzichtbare Details hier und dort ein.

«Ich war mir sicher, das war's für mich. Ich meine, wer würde schon ein Team senden, um den armen Forne Rako von der Oberfläche eines namenlosen Dschungel-Planeten auflesen? Mein Schiff war 'ne Landmarke, also kein Funk mit einer brauchbaren Reichweite. Dann stolperte ich über diese Kapsel. Ich wusste sofort, die ist von den Haul Er übersprang grosszügig den Teil, wo er eine halbe Stunde unter einer Pflanze gekauert hatte, zu ängstlich sich zu bewegen, es hätte seine Zuhörer nur gelangweilt.

«Ich hab meine Waffe gezogen und bin langsam näher geschlichen, immer auf der Hut vor einem Hinterhalt. Angekommen hab ich dann einen Spiegel an einen Ast geklebt, so dass ich reinsehen konnte, ohne unerwünschte Löcher in meinen Kopf zu bekommen. Oder den Ohren.» Er strich über sie, um das aufwendige Muster zu präsentieren. Es hatte ihn ein Vermögen gekostet, aber es war jeden Credit wert. Einige Damen schenkten ihm ein ermutigendes Lächeln und er liess ein breites Grinsen aufleuchten. «Da war ein toter Haul drin. Oder zumindest dachte ich, er wäre tot. Ich bin fast aus meinem Fell gehüpft, als er mich plötzlich angeknurrt hat.»

«Verflucht, ich hab so sehr gezittert, ich hatte Angst, ich könnte mir in den Fuss schiessen!» Das brachte ihm eine Runde Gelächter ein. Alle Ohren waren auf ihn gerichtet und er badete in der Aufmerksamkeit.

«Der Typ war total fertig. Sein Rücken war bis auf die Knochen weggebrannt. Wäh. Ich schwöre, ich konnte seine Eingeweide durch sein Rückgrat hindurch zucken sehen! Die Schmerzen allein hätten ihn umbringen müssen, aber er war immer noch am Leben. Er flehte mich an ihm zu helfen.» Forne schnaubte. «Er hatte nur Glück, dass sich so ein netter Kerl bin, oder ich hätte ihm gezeigt was richtige Schmerzen sind. Und, ob ihr's glaubt oder nicht, er sprach! Er sprach zu mir! "Hilf mir," flehte er. Helfen! Ha! Ich hab ihn erstmal gefesselt, nicht dass er noch irgendwelche Dummheiten macht und dann etwas Medizin auf seine Wunden. Würde ich nie von diesen Typen erwarten, aber ich bin ja nicht so.»

Er sah auf seine Pfoten. «Hab mir nur Sorgen gemacht, dass dieser Schleim sich direkt durch meine Handschuhe frisst. Wusstet ihr, dass sie rohes Fleisch essen?» Geräusche voller Abscheu antworteten ihm. «Kein Scheiss. Da war ein Fach mit rohem, rotem Fleisch. Ich schwöre, das Zeugs hat gezuckt, als ich einen Streifen davon abgeschnitten hab, um den Gefangenen zu füttern. Meine Hoffnung war, dass die Kapsel Funk hat, damit ich Verstärkung hätte rufen können. Stellt euch vor: Der erste, lebende Haul Gefangene des ganzen Krieges! Naja, vorausgesetzt, ich war schnell. So wie der aussah machte er es nicht mehr lange.»

Er seufzte und liess sich auf Bett fallen, den Kopf gesenkt. «Aber der Bastard entschied sich zu sterben. Genau in dem Moment landete ein Schiff der Haul. Ich hab mich sofort im Dschungel versteckt, um auf meine Chance zu warten mich an Bord zu schleichen, aber diese Biester haben mich erbarmungslos gejagt. Es muss mindestens ein Dutzend gewesen sein. Ich konnte sie heulen hören. Ich rannte um Bäume, hab mich in Büschen versteckt, in schlammigen Flüssen, aber ich konnte sie einfach nicht abschütteln. Einer hat versucht sich an mich ranzuschleichen. Ha! Nicht mit mir, Ma'am, nein. Ich hab knallhart sein Gesicht eingetreten. Danach wurde es schlimmer. Ich hab versucht auf sie zu schiessen, aber sie haben das einfach ignoriert! Einfach ignoriert! Da war so ein komisches blaues Blitzen, wenn ich sie getroffen hab. Ich schwöre, die haben sowas wie Schutzschirme oder so. Kugeln prallen einfach davon ab. Egal. Sie haben mich gejagt, bis ich völlig fertig war. Ich konnte kaum noch stehen, von laufen gar nicht zu sprechen. Ich war erledigt. In einem Flussbett habe ich Deckung genommen, um mein Fell teuer zu verkaufen. Ich denke, einen habe ich erwischt, aber ein anderer hat eine Art Granate nach mir geworfen. Ich hatte sie gerade, wollte sie eben zurückwerfen, aber sie explodierte in meinen Pfoten.»

Forne lehnte sich zurück. «Und da bin ich.» Er schenkte seinen Zuhörern ein bösartiges Grinsen. «Sie bluten und sie sterben. Gebt noch nicht alle Hoffnung auf.»

Jubel antwortete ihm. «So, was läuft hier so ab?» fragte er.

«Wir warten,» teilte Hames ihm mit.

«Warum prügeln wir nicht einfach die Scheisse aus jedem Haul, der dumm genug ist seine hässliche Schnauze durch diese Tür zu stecken?» Forne zeigte mit dem Daumen auf sie.

«Damit sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen,» stöhnte Brone. «Wie hat ein Idiot wie du es jemals in die Armee geschafft? Kein Wunder, dass wir den Krieg verlieren!»

Forne ignorierte ihn. Brone war ein Arschloch, war es immer gewesen und würde es immer sein. Es machte ihm Spass andere zu beleidigen. Niemand mochte ihn. In der Basis war seine Koje ein relativ konstantes Ziel von Streichen gewesen, nicht alle nur von Forne. Statt ihm die Abreibung zu verpassen, die er so sehr verdiente, sah Forne sich um. «Sie haben uns alles genommen, was?»

«Ja,» nickte Hames. «Wie haben versucht die Paneele zu lösen, aber es ist ein Gefängnis, auch wenn's nicht so aussieht. Die Gitter der Klimaanlage sind so stark, man könnte 'ne FK-15 dranhängen. Keine Schrauben irgendwo wo wie rankommen. Wir haben die Duschen versucht, die Toiletten, alles.»

«Einige haben so getan, als wären sie krank,» schnaubte Rank. «Keine Chance. Sie wissen, wenn jemand wirklich was hat und wenn man nur spielt. Es muss eine Art Überwachung geben, auch wenn wir nichts finden können.»

«Super.» Forne sah zur Tür. Wie alle im Raum war ihm klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Haul kommen und sich die Opfer herauspicken würden für die perversen Spiele, die diese Bestien in ihrer Freizeit spielten.

Das Warten würde die Hölle sein.

* * *

Aus dem Hintergrund hatte Majorin Vera Boser dem Bericht von Forne gelauscht und sich ihre Gedanken gemacht. Ihr war aufgefallen, dass der Rabit mit der Wahrheit wohl nicht sehr zimperlich umging. Jetzt fragte sich sich, warum. 'Hat er uns schon verraten oder übertreibt er nur?'


Anmerkungen

Was ist schlimmer? Gefoltert zu werden oder darauf zu warten in einigen Tagen gefoltert zu werden?

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